Alkoholprävention ist gut unterwegs, aber noch lange nicht am Ziel
Jan. 2011Nationale Präventionsprogramme
Nationales Programm Alkohol 2008–2012. «Wer alkoholische Getränke trinkt, tut dies, ohne sich selber und anderen Schaden zuzufügen.» So lautet die Vision des Nationalen Programms Alkohol 2008 –2012 (NPA), mit dessen Umsetzung der Bundesrat im Juni 2008 das Bundesamt für Gesundheit (BAG) und die Eidgenössische Alkoholverwaltung (EAV) beauftragt hat. Es ist ein ambitiöses Programm, das 33 Aktivitäten, 10 Handlungsfelder und eine Vielzahl von Akteuren koordiniert. Wo steht das NPA heute? Eine Zwischenbilanz.
In der Schweiz nimmt der Konsum alkoholischer Getränke seit Jahrzehnten tendenziell ab. Er stagniert seit wenigen Jahren bei jährlich ca. 8,7 Litern reinen Alkohols pro Kopf. Dies trotz des jüngst leicht steigenden Bier- und Spirituosenverbrauchs. Mehr Sorgen als der Pro-Kopf-Konsum bereiten jedoch alle Formen des problematischen Konsumverhaltens. Schätzungsweise 300 000 Menschen gelten in der Schweiz als alkoholabhängig. Damit verbunden sind grosses menschliches Leid und aufgrund der gesellschaftlichen Folgen hohe Kosten für die Allgemeinheit. Für alkoholpolitische Entwarnungen besteht also noch kein Grund.
Strenger Vollzug der Jugendschutzvorschriften
Handlungsbedarf besteht insbesondere bei den 15- bis 24-Jährigen. Bei dieser Altersgruppe ist der Anteil der risikoreich Konsumierenden entgegen dem allgemeinen Trend leicht gestiegen. Im Bereich Jugendschutz steht denn auch der konsequente Vollzug der geltenden Vorschriften im Zentrum der Bemühungen. Im Oktober 2009 haben die EAV und das BAG ein Praxishandbuch mit Anleitungen für die Durchführung von Alkoholtestkäufen mit Jugendlichen herausgegeben. Daneben finanziert das NPA verschiedene Projekte in der Federführung der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft der Jugendverbände (SAJV). So soll z. B. die «Rausch- und Risikokompetenz» der Leiterinnen und Leiter von Jugendverbänden durch Ausbildungen gefördert werden und das Thema in bestehende Strukturen der Jugendverbände integriert werden. Auch in den Bereichen Schule und Familie engagiert sich das NPA. Unter der Leitung von Sucht Info Schweiz werden beispielsweise Hilfsangebote für Kinder aus alkoholbelasteten Familien aufgebaut und die Öffentlichkeit sowie Fachpersonen für das Thema sensibilisiert. Nicht zuletzt haben verschiedene Ideen zur Verbesserung des Jugendschutzes in die Revision des Alkoholgesetzes Eingang gefunden. Ob und inwieweit diese angenommen werden, darüber entscheidet das Parlament.
Doch bei aller berechtigten Sorge um die Jugend: Der fast schon stillschweigend akzeptierte chronische Alkoholkonsum von Menschen mittleren Alters und der verharmloste Alkoholkonsum im Alter dürfen dabei nicht aus dem Blickfeld geraten. Künftig wird diese Problematik denn auch verstärkt angegangen.
Forschung vorantreiben
«Alkohol im Alter» heisst eine der geplanten Studien des BAG, deren Resultate im Sommer 2011 erwartet werden. Hierzu wurde bereits ein grosses Netzwerk gebildet, geplant ist neben der Studie auch eine Website zum Thema. Eine weitere BAG-Studie nimmt sich der alkoholbedingten Kosten am Arbeitsplatz an. Von grosser Bedeutung für künftige Massnahmen ist auch das Suchtmonitoring 2011, in dessen Rahmen erstmals eine Befragung zum Alkoholkonsum und zum Trinkverhalten durchgeführt wird.
Verbesserung von Behandlung und Therapie
Ein wichtiges Handlungsfeld des NPA ist der Bereich Behandlung und Therapie. Unter der Federführung von Infodrog werden derzeit Aktivitäten zur Optimierung des Behandlungsangebots für alkoholkranke oder gefährdete Menschen geplant und durchgeführt. Dazu gehören eine Bedarfsabklärung bei entsprechenden Institutionen, die Qualifizierung von Fachleuten für Kurzintervention, die Sicherung der Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität in Therapieinstitutionen oder der Betrieb von niederschwelligen Treffpunkten für Alkoholabhängige. Weiter wird ein Internetportal erstellt, über das Hilfesuchende künftig schneller auf eine passende Therapie stossen.
Zusammenarbeit mit den Kantonen stärken
Die Akteure hinter den NPA-Aktivitäten sind in erster Linie die Kantone. Die Kompetenzen und Zuständigkeiten im Bereich Alkoholprävention liegen weitgehend in ihrer Hand. Beispiele dafür sind die Erhebung von Sondergewerbesteuern, die Festlegung der Ladenöffnungszeiten oder der Erlass von Werbevorschriften. Eine zentrale Aufgabe des BAG ist es, die Zusammenarbeit und den Austausch unter den Kantonen zu fördern. Neben der alkoholpolitischen Kantonskarte auf der BAG-Website wurde dazu die jährlich stattfindende KAP-Tagung (Kantonale Aktionspläne Alkohol) lanciert. Sie richtet sich an alle Fachleute, die sich in den verschiedenen kantonalen Direktionen mit alkoholpolitischen Fragestellungen beschäftigen. 2010 wurde neben der KAP-Tagung erstmals die «KAP Plus» durchgeführt, bei der spezifisches, bedarfsorientiertes Wissen vermittelt wird.
Alkoholkampagne: Aufruf zum Dialog
Die nationale Grundlage für eine nachhaltige Alkoholpräventionspolitik ist geschaffen und die Aufbauarbeit abgeschlossen. Jetzt gilt es, die Umsetzung gemeinsam voranzutreiben. Zudem gilt es beim Alkohol wie in anderen Präventionsfeldern, Bevölkerung und Politik kontinuierlich für wirksame Massnahmen der Verhaltens- wie Verhältnisprävention zu gewinnen. Dafür ist das BAG momentan dabei, eine partizipativ aufgebaute, auf den Dialog fokussierte Alkoholkampagne zu entwickeln. Dazu gehören Bottom-up-Aktionen, also Aktivitäten, die das Thema Alkohol dort ansprechen, wo es tatsächlich ein Problem darstellt, und zwar in der Sprache, die die Betroffenen sprechen. Der Startschuss für die neue Kampagne fällt in der trinationalen Dialogwoche Alkohol vom 21.– 29. Mai 2011.
Interessierte können sich mit einem Mail an alkoholkampagne@bag.admin.ch für den Newsletter anmelden. Weitere Informationen über die Dialogwoche und die Präventionskampagne auf www.ich-spreche-ueber-alkohol.ch.
Das nationale Programm Alkohol entstand in einem breit abgestützten partizipativen Prozess, umgesetzt wird es gemeinsam durch diverse Akteure aus dem Bereich der Alkoholprävention. Die strategische Leitung liegt beim BAG, bei der Eidgenössischen Alkoholverwaltung und bei der Eidgenössischen Kommission für Alkoholfragen sowie bei den kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren.
Nationales Programm Alkohol 2008–2012: das Wichtigste in Kürze
Vision: Wer alkoholische Getränke trinkt, tut dies, ohne sich selber und anderen Schaden zuzufügen.
Oberziel A: Gesellschaft, Politik und Wirtschaft sind für die besondere Verletzlichkeit von Kindern und Jugendlichen durch alkoholische Getränke sensibilisiert und unterstützen entsprechende Jugendschutzmassnahmen.
Oberziel B: Die Bevölkerung kennt die negativen Auswirkungen des Alkoholkonsums und unterstützt geeignete Massnahmen, um diese zu verringern.
Oberziel C: Der problematische Alkoholkonsum (Rauschtrinken, chronischer und situationsunangepasster Konsum) ist reduziert.
Oberziel D: Die Anzahl alkoholabhängiger Personen hat abgenommen.
Oberziel E: Die Angehörigen und das direkte soziale Umfeld sind von den negativen Auswirkungen des Alkoholkonsums spürbar entlastet.
Oberziel F: Die negativen Auswirkungen des Alkoholkonsums auf das öffentliche Leben und die Volkswirtschaft haben sich verringert.
Oberziel G: Die staatlichen und nichtstaatlichen Akteure im Bereich Alkohol koordinieren ihre Tätigkeiten und gewährleisten gemeinsam die erfolgreiche Umsetzung des Nationalen Programms Alkohol.
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Kontakt
David Hess-Klein, Sektion Alkohol, david.hess-klein@bag.admin.ch